Elektromobilität – Das hässliche Entlein muss wachgeküsst werden

Für seine abendliche Sendereihe UNKRAUT hatte sich das bayerische Fernsehen etwas Besonderes ausgedacht: eine Fahrt ins Grüne, mit Elektromobil, als Auftakt einer Reihe über alternative Mobilität. In der wohlhabenden Gemeinde Weßling des Landkreises Starnberg sollten dann einige Experten interviewt werden, so auch ich. Dort sollte es auch eine Tankstelle für Elektrofahrzeuge geben. Das klang gut, ich stimmte zu und zog los, um mich zu informieren.

Als erstes zur Ladestation, die Adresse von einem Musikgeschäft, zwei Kilometer außerhalb. Auf dem Weg dorthin ein großen Aldi Parkplatz, ohne Lademöglichkeit. Auch bei der S-Bahn mit den vielen Park&Ride-Plätzen keine Lademöglichkeit.

Nur ein alter Fahrradständer, ein Teil der Fahrräder längst vergessen, mit Plattfuß und auch hier keine Ladestation, auch nicht für E-Bikes. Schon jetzt war klar: die selbstverständliche Pflicht der Kommunen, für erste Ladestationen zu sorgen, war bei dieser Gemeinde noch nicht angekommen. Tags zuvor hatte ich mit einem Bekannten gesprochen, der täglich vom Stadtrand mit seinem Elektro-Pkw ins Stadtzentrum fährt. Er bräuchte ein Nachladen in der Tiefgarage dort. Aber der Vermieter weigert sich.

Eine Bevorzugung für Abstellflächen und ein wall-outlet will er nicht. Schade, denn gerade mittags würde das Nachladen die Stromspitze der Photovoltaik optimal nutzen. Auch die Stadt München hat im nahen Umkreis keine Lademöglichkeit. Überall klemmt es, für Pendler genauso wie für den Wochenendausflügler. Es fehlt die Liebe zum Detail.

Auch große Geschenke brauchen Liebe

Dabei hatte die Bundesregierung doch gerade eine dicke Kaufprämie für Elektro-PKWs eingeführt – 5000 Euro! Nur hatte man offensichtlich vergessen: Elektromobilität funktioniert anders.

Man muss mit Wartezeiten beim „Tanken“ leben und man muss kleinteilig, regional denken. Es geht also weniger um Elektro-Tankstellen, als um die vielen Punkte, wo Autos lange stehen und Lademöglichkeiten geschaffen werden müssen.

Also um öffentliche Parkplätze, um Einkaufs-Zentren, um Vorort-Bahnhöfe und um die Ladestecker am Laternenpfahl in den Wohnvierteln. Und natürlich um ein Leitsystem, beginnend an Hauptstraßen und Autobahnen. Elektromobilität wird es ohne diese Liebe zum Detail nicht geben. Ohne sie wird die Prämie zum Placebo, zum wirkungslosen Aktionismus. Es geht um Soforthilfe für die Pioniere, um das Jetzt, nicht um das millionste Fahrzeug.

Der Klimakodex gäbe Leitlinien – branchenspezifisch

Seit Jahren fordere ich in meinen Büchern den Klimakodex als Selbstverpflichtung der Wirtschaft zur Bekämpfung des Klimawandels. Also Leitlinien, die branchenspezifisch gemeinsam mit Wissenschaft und Experten der Zivilgesellschaft erarbeitet werden.

Der breit aufgefächerten Wirtschaft entsprechend sind Möglichkeiten und Anforderungen für jede Branche verschieden. Architekten, Bäckermeister und Industriekapitäne haben ganz unterschiedliche Aufgaben gegen den Klimawandel. Jeder kann zu Energieeffizienz und Emissionsreduzierung etwas tun – und natürlich kann jeder auch nur reden, statt zu handeln.

Das Versagen einer ganzen Industrie

Reden statt tun war immer schon eine Stärke der Automobil-Industrie. 1994 gab der Verband der Automobil-Produzenten in Brüssel das Versprechen ab, den CO-2-Ausstoß der Fahrzeuge deutlich zu senken. Aber getan hat sich nichts. Statt einen zur Umsetzung dieser Selbstverpflichtung notwendigen Verhaltens-Kodex einzuführen, blieben die Hersteller untätig – mit dem Effekt, dass die EU-Kommission dann harte Regeln vorgab.

Die führten dann zum Dieselskandal, nicht etwa zu einer Beschleunigung der Entwicklungen für die Elektromobilität. Tesla wurde belächelt und E-Mobilität für den Lieferverkehr überließ man der Post. Eine saubere road-map, ein Langfristplan der Automobil-Industrie zur emissionsfreien Mobilität fehlt bis heute. Jeder für sich und alles unkoordiniert – trotz der dringenden Notwendigkeit, Standards zu entwickeln: eine Blamage nach der anderen, konzeptlos bei höchstem Gehalt.

Andere sind längst weiter. In China ist Elektromobilität Realität. Ohne Quotenvorgabe wie dort wird es auch bei uns nicht gehen. Die Beschränkung der Flotten-Pönalen nur auf die CO2-Absenkung genügt nicht, sie muss auch Elektro- Quoten beinhalten, auch gegen starke Lobby.

Bild: fotolia.de

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